Tag 85: Verpflichtungen und warum ich sie oft nicht einhalte

Neulich habe ich eine online-Besprechung abgesagt, der ich zuvor meine Teilnahme zugesagt hatte. Der Grund war, dass ich mich einfach nicht danach “fühlte”, mit diesen Menschen ins Gespräch zu gehen, die ich noch nicht einmal kannte. Meine Absage wurde von einem anderen Teilnehmer thematisiert. Er meinte es fühle sich “eigenartig” für ihn an, dass ich eine Besprechung absagte, die ich selber mit initiiert hatte, dass ich aber wohl meine Prioritäten, die mich zu dieser Entscheidung veranlasst hatten, vorher sorgfältig erwägt hätte. Nun, das hatte ich nicht. Ich bin einfach meinem inneren Impuls, meinem “Gefühl” gefolgt, und habe so nicht zu meiner Verpflichtung gestanden.

Und das ist nicht das erste Mal, dass ich eine gegebene Verpflichtung nicht eingehalten habe. Es passiert mir sogar recht häufig. Und ich frage mich wieso ich viele Verpflichtungen so einfach wieder über den Haufen werfe. Will ich sie nun eingehen, oder nicht? Was will ich eigentlich? Warum gehe ich Verpflichtungen ein, wenn ich sie gar nicht eingehen will? Weiß ich überhaupt, was ich will?

Es gibt zwei wichtige Gründe, weshalb ich Verpflichtungen eingehe. Zum einen bin ich, seit ich 2012 auf Desteni stieß, davon überzeugt, dass solche Verpflichtungs-Aussagen einen Wert haben. Ich muss mir überlegen, welche Verpflichtung ich eingehen möchte, und warum. Und zum anderen hilft mir das Festhalten an dieser Verpflichtungs-Aussage in diesem Reise-ins-Leben blog dabei, anhand dieser ausgesprochenen Verpflichtungen eine Richtung für mich zu bestimmen, diese Richtung nicht aus den Augen zu verlieren, und sie immer wieder auf ihren Wert hin zu überprüfen. Soweit die Theorie dazu 🙂  Leider sieht die Praxis aber doch oft anders aus und ich schaffe es nicht, meine Verpflichtungen wahrzunehmen. Warum nicht?

Beim nachdenken über diese Frage stieß ich auf die folgende interessante Passage aus  “The Reality of Being” von Jeanne de Salzmann, einer Schülerin von Gurdjieff:

What is too often missing is knowing what I want. And it is this that undermines my will to work. Without knowing what I want, I will not make any effort. I will sleep. Without wishing for a different quality in myself, to turn toward my higher possibilities, I will have nothing to lean on, nothing to support work. I must always, again and again, come back to this question: What do I wish? It must become the most important question of my life. Yet this wish for a different quality has no force at all if it comes from my ordinary “I.” It must be related to something completely different from my ordinary “I” and free from the desire for a result. I must not forget why I wish. This must be for me really a question o f life or death— I wish to be, to live in a certain way.

Und gleich neben dieser Passage fand ich eigene Randbemerkungen aus dem Jahr 2014, in denen ich damals schon festhielt, dass ich nicht wusste, was ich will. Ich wusste es damals nicht, und ich weiß es heute, 8 Jahre später, immer noch nicht. Es scheint, dass ich innerlich immer noch an gleichen Punkten fest hänge wie damals. Das fand ich doch sehr erstaunlich. Und auch erschreckend. Denn ganz offenbar habe ich in den letzten Jahren keine innerlichen Fortschritte gemacht. Zumindest bin ich der Frage “was will ich eigentlich?” nicht einen Deut näher gekommen. Und deswegen halte ich meine Verpflichtungen auch nicht ein. Denn heute will ich dies, und morgen das. Wie soll man da seine gestern noch ausgesprochenen Verpflichtungen einhalten können, wenn das Leben heute schon wieder ganz anders aussieht? Das waren doch eh alles nur leere Versprechungen. Nicht was man ernst nehmen könnte. Ja, so gehe ich durchs leben. Mich und andere nicht ernst nehmend. Traurig, aber wahr. Oder vielleicht auch nicht. Ist das Leben denn nicht eh nur ein sinnloses Spiel, indem wir solange einfach Spaß und Freude haben sollten, wie es nur geht? Und wer ist dieses “ordinäre Ich” aus dem Zitat überhaupt?

Diese Unsicherheit darüber, was ich eigentlich will hatte ich zwar irgendwie schon lange gespürt, vor allem auch in den Jahren auf dem Boot, aber auch danach. Inzwischen habe ich den Eindruck, dass die Änderung meiner äußeren Umstände, also die Aufgabe meines Seglerlebens für die Ausrichtung auf ein Landleben in der Selbstversorgung, die Problematik gar nicht an der Wurzel packt, sondern sie nur verlagert. Es scheint mir so, als ob jede neue Verpflichtung, welcher Art auch immer, also ganz egal ob sie für ein Seglerleben, für ein Landleben, für das Fernwandern, oder für was auch immer ist, nur eine Flucht darstellt. Eine Flucht vor mir selbst in eine illusorische Vorstellung darüber, was sinnvoller für mich sein könnte, als die gerade gemachte Verpflichtung auf mich zu nehmen – mit all ihren Konsequenzen – anstatt mich und meine Unfähigkeiten und Unzulänglichkeiten anzuschauen und sie zu akzeptieren. Doch es schwant mir jetzt, dass ich im Grunde nur die Arbeit scheue, die eine Verpflichtung von mir fordert, dies aber nie wahr haben wollte. So hatte ich mich neulich auch Panterra gegenüber geäußert. Ich wollte dort alles auf einem silbernen Tablett geliefert bekommen, ohne etwas dafür zu tun! Und es tut weh zu sehen, wie ich meine eigenen Überzeugungen aufgebe für ein schnelles Erfolgserlebnis auf einem einfachen Weg. Aber so funktioniert das nicht mehr. Es hat auch noch nie funktioniert. Ohne Verpflichtungen einzuhalten, ohne zu wissen wohin ich will und warum, drifte ich nur in dieser Welt umher wie ein Blatt im Wind. Das wird mir jetzt so langsam immer deutlicher.

Gestern noch habe ich die Dinge genau anders herum gesehen. Gestern hielt ich jede Verpflichtung für einen Reinfall, für eine Illusion, für eine Lüge. Ich sah ganz deutlich, dass ich einfach nicht in der Lage bin überhaupt irgendeine Verpflichtung auf mich zu nehmen. Man schaue sich nur die vielen Verpflichtungs-Aussagen meiner bisherigen blogs an. Meine blogs sind voll von nicht eingehaltenen Verpflichtungen. Das ist nichts als Ego-Manie ohne jedes Gefühl für die Realität und das Machbare.

Einer der wichtigsten Gründe für das nicht-einhalten meiner Verpflichtungen ist ganz offensichtlich meine Schwäre und meine Energielosigkeit. Beides resultiert in der Scheu vor der Arbeit, die mit einer Verpflichtung einher geht, sodass ich mich lieber in neue Illusion und neue Verpflichtungen verstricke, die offenbar einfacher zu erreichen und scheinbar auch sinnvoller zu sein scheinen, als die bereits gemachte Verpflichtung. Denn das Umsetzen einer Verpflichtung, ganz egal welcher, kostet Energie. Und es kostet Arbeit. Und es erfordert, dass man seine Illusionen aufgibt. Es erfordert Aufgabe und Hingabe. Und es erfordert die Überzeugung, das richtige zu tun. Es ist also nicht die Verpflichtung, die eine Illusion für mich darstellt, sondern die Illusion ist der Gedanke, dass ich einen einfacheren Weg finden könnte, um sie umzusetzen. Und wie Jeanne de Salzmann in dem obigen Zitat schon sagt “Without knowing what I want, I will not make any effort.” Wie wahr das doch ist. Ich muss also heraus finden, was ich WILL! Denn ganz offenbar weiß ich das noch nicht, denn sonst würde ich ja die Anstrengungen dahingehend auch auf mich nehmen.

Bisher habe ich es aber eben nicht geschafft, mich einer Verpflichtung tatsächlich hinzugeben, die damit verbundenen Aufgaben anzunehmen, und meine Illusionen über sie aufzugeben, wenn mich die Realität einholte und ich endlich verstand, was diese Verpflichtung tatsächlich alles beinhaltet. Sobald die ersten Schwierigkeiten auftauchten wandte ich mich immer wieder, und auch sehr schnell, von meiner Verpflichtungen ab und ging lieber eine neue ein, die ich ebenso schnell wieder fallen lies. Ich wusste nicht wirklich, was ich wollte. Ich war nicht überzeugt davon, dass der eingeschlagene Weg auch tatsächliche der richtige für mich war. Das redete ich mir jedenfalls ein. Aber offensichtlich war es nicht so. Und deshalb konnte ich ihn jedes mal ohne großes Zögern wieder aufgeben und einem scheinbar einfacheren Weg den Vorzug geben. So rannte ich von einer Illusion in die nächste, ohne es zu merken. Es war und ist alles nur ein Zeichen dafür, dass ich einfach nicht weiß, was ich will. Was ich will ist immer nur etwas anderes.

Ich erkenne, dass dies ein Muster ist, das ich nicht anders als Selbst-Boykott beschreiben kann. Es tut mir weh, nicht zu wissen was ich will in diesem Leben. Es tut mir weh, mich nicht für etwas Gutes entscheiden zu können und es auch durch zu ziehen. Es tut mir weh dieses nicht-einhalten-können meiner eigenen Verpflichtungen zu sehen, von denen ich zumindest eine Zeitlang sicher war, dass sie mir wichtig sind und mir sinnvoll erscheinen. Dennoch konnte ich sie nicht durchhalten, nicht mal für kurze Zeit, und begab mich schnell wieder in neue Verpflichtungen, also neue Illusionen. Und mit diesem Verhalten drehe ich mich seit Jahren immer nur im Kreis meiner eigenen Fantasien, verlasse sie aber nicht. Ich drehe mich im Kreis und komme nach einer Weile auch wieder auf die gleichen Themen zurück, denen ich mich verpflichten möchte, nur um mich dann erneut wieder nicht darauf einzulassen und die Verpflichtung dazu erneut zu übergehen. Und dahinter steckt eine große Angst. Die Angst mich auf die falschen Verpflichtungen, auf die falschen Themen, einzulassen, und meine Energie daran zu verschwenden. Und die Angst zu scheitern und alles zu verlieren, weil es das alles gar nicht wert ist.

Doch wenn diese gewissen Themen, und darauf werde ich im nächsten Teil dieses blogs detaillierter eingehen, immer wieder zu mir zurück kehren, dann haben sie ja offenbar eine Bedeutung für mich. Dann sind sie mir wichtig. Dann müssen sie mir wohl sinnvoll erscheinen. Warum kommen sie sonst immer wieder in mein Leben und klopfen an, um Beachtung flehend? Warum werde ich sie nicht einfach los, wenn sie so unbedeutend für mich sind? Sie müssen eine gewisse Anziehungskraft auf mich haben, denn sonst hätte ich sie ja schon längst gehen lassen, so wie die Seglerei und meinen Job. Und wenn diese Anziehungskraft da ist, dann sollte ich das so auch akzeptieren, ob ich nun will oder nicht. Dann bin ich diesen Themen ja schon längst verpflichtet. Und dann hilft die Abkehr nichts. Diese wäre nur eine Zeitverschwendung. Sie führt zum Verlust der Selbstachtung, zu Verzweiflung, und zu Depression. Und am Ende kann man sich doch nicht vor der Realität zu erkennen drücken, dass dieses gewisse Thema eben einfach bedeutungsvoll in meinem Leben ist und ich es deswegen auch nicht beiseite schieben oder ignorieren kann. Ein Mann muss tun, was ein Mann tun muss. Daran geht kein Weg vorbei.

Dies zu erkennen, schmerzt. Es schmerzt zu erkennen, wie unfähig ich bin eine Verpflichtung einzuhalten, auch wenn ich noch so überzeugt davon bin, das es richtig ist, sie einzugehen. Und wieviel Angst ich davor habe, mich festzulegen und das Falsche zu tun. Doch wenn ich die Verpflichtung so einfach, mir nichts dir nicht, zugunsten einer anderen über den Haufen werfen kann, dann ist sie wohl doch nicht wirklich wichtig für mich und ich bin nur einer Illusion nachgerannt. Oder etwa nicht?

  • Was ist hierin nun Illusion und was nicht?
  • Was ist hierin nun Realität und was nicht?

Jeanne de Salzmann beschreibt ganz klar, das wir uns ständig selber belügen. Wir wissen nicht wer wir sind und wie wir funktionieren. Wir lassen uns von allerlei Gedanken, oder Gefühlen, gefangen nehmen und folgen diesen blind, wie per Autopilot, wie eine Marionette. Wir folgen einer illusorischen Vorstellung nach der anderen, weil wir nicht wissen wer wir sind und deshalb auch nicht wissen, wohin wir und was wir wollen. Denn wenn wir das wüssten, wenn es uns also wichtig wäre irgendwo hin zu gelangen, dann würden wir auch alle Widerstände auf dem Weg dorthin zu überwinden versuchen und nicht gleich aufgeben und unser Heil woanders suchen, wo es eh nicht zu finden ist.

Und genau in der selben Weise folge ich auch meinen eigenen Illusionen. Ich weiß einfach nicht, was ich will. Ich übernehme eine Verpflichtung, sagen wir mal die Verpflichtung mich um die Heilung der Erde zu kümmern und mir einen Selbstversorger-Hof zu kaufen. Und kaum bin ich diese Verpflichtung eingegangen kommt auch schon eine neue Möglichkeit daher, wie z.B. die Möglichkeit bei einem Projekt auf Sardinien mitzumachen, wo ich einfach mit einsteigen kann, ohne die ganze Vorarbeit leisten zu müssen. Ein Projekt, das ich überhaupt nicht kenne, aber das sich gut anhört. Und schon bin ich Feuer und Flamme und schmeiße meine bisherige Verpflichtung einfach über den Haufen. Und das ist etwas ganz anderes, als damals meinen Job hinzuschmeißen, von dem ich erkannte, dass es keinen Sinn für mich mehr machte weiter an ihm fest zu halten, weil er sich totgelaufen hatte und jedes Potential für Entwicklung darin bereits ausgeschöpft war. Er war zu einer Sackgasse geworden. Und ich will einfach nicht nochmal in so eine Sackgasse rennen. Davor habe ich eine Heidenangst. Wieso nur?

Wieso tue ich das also? Wieso gebe ich eine Verpflichtung so einfach auf? War diese Verpflichtung etwa nicht wichtig? War sie nicht gut überlegt? War sie unrealistisch? War sie zu schwer umzusetzen? Erfordert sie zu viel Arbeit und Engagement? Gibt es inzwischen unüberwindbare Hürden? Oder “fühlt” sie sich einfach irgendwie nicht gut an? Fühlt es sich nicht gut genug an, da Arbeit und Energie hinein zu stecken?

Und wieso verfolge ich stattdessen diese neue Idee? Wieso klingt sie so gut? Wieso will ich für sie alles aufgeben, wieder etwas neues beginnen? Was lockt mich dort? Welcher Illusion, welcher Vorstellung, renne ich da hinterher? Wieso glaube ich, dass dies endlich eine Verpflichtung sein könnte, die ich nicht gleich wieder ablege? Und dabei spüre ich innerlich schon wieder, dass ich genau wie bisher auch gleich bei den ersten Problemen wieder aussteige oder gar nicht erst einsteige, weil alles viel zu unsicher ist.

Illusionen haben nun einmal den Reiz des Unbekannten. Man malt sie sich in den schönsten Farben aus. Und sie könnten ja wahr sein, sind es nur am Ende meist nicht. Und damit sind sie dann nichts weiter als eine neue zerstörte Illusion, genau wie die für die man sie aufgegeben hat. Am Ende steht man mit nichts da.

Ich will ja gar nicht behaupten, dass ein Projekt sich nicht als illusorisch erweisen kann. Man muss nicht jedes Projekt durchziehen gegen alle Widerstände. Nicht wenn es wirklich sinnlos erscheint, so wie mein Job damals, den ich auch nicht im geringsten vermisse und der auch nie wieder als mögliches Investment aufgetaucht ist. Und auch nicht, wenn das Projekt sich tot gelaufen hat und keinen Sinn mehr macht. Aber eine Idee nur aufzugeben, weil sie zu schwierig geworden ist, oder weil ein paar unüberwindbar erscheinende Hindernisse aufgetaucht sind, das ist sicher nicht richtig und auch nicht sinnvoll. Das ist reiner Selbst-boykott. Und das will ich nicht mehr.

Die Angst eine Verpflichtung einzugehen, weil ich sie nicht einhalten können werde, weil es die falsche sein könnte, führte bei mir sogar dazu, dass ich mich garn nicht mehr traute, überhaupt eine Verpflichtungs-Aussage vorzunehmen. Ich war mir viel zu sicher, dass ich sie eh nicht einhalten können würde, weil ich gar nicht wusste, was ich will. Deswegen habe ich jetzt schon über ein Jahr keinen blog mehr geschrieben. Und es hat auch schon von jeher Unwohlsein in mir ausgelöst eine Verpflichtungs-Aussage in meinen blogs vornehmen zu müssen. Ich hatte wohl schon immer gespürt, dass ich so eine Aussage überhaupt nicht umsetzen können würde. Das sie nur ein Lippenbekenntnis sein würde, um gut auszusehen. Dass sie, um mit Jeanne de Salzmann zu sprechen, einfach eine Lüge wäre. Eine Selbst-Lüge, um in der Illusion darüber bleiben zu können, wer oder was ich gerne sein würde, aber nicht bin. Weil ich gar nicht weiß, wer oder was ich bin und was ich will.

Und genau das haben mir jetzt meine alten blogs aufgezeigt. Sie haben mir meine illusorischen Vorstellungen über mich selber aufgezeigt und meine Illusionen darüber was ich glaubte tun zu können, und tun zu müssen, damit ich einen Wert in dieser Welt haben würde. Sie sind voll von all dem was ich tun wollte, aber nie tat. Sie legen deutliches Zeugnis darüber ab, was für illusorischen Vorstellungen ich über mich entwickelt hatte. Sie zeigen mir heute noch, dass ich nicht wusste wer ich war und auch immer noch nicht weiß, wer ich bin. Sie sind ein echter Augenöffner für mich geworden und dafür liebe ich meine alten blogs. In der darin enthaltenen Einsicht über meine Illusionen, die ich über mich selbst hegte und pflegte, liegt ihr Wert und der Wert des Schreibens in dieser Form für mich.

Ich möchte mich ändern. Ich möchte wissen, wer ich bin. Oder besser gesagt: ich möchte annehmen, wer ich bin. Mit all den Unsicherheiten, den Ängsten, aber auch den wiederkehrenden Wünschen und Themen, die mich nicht los lassen. Aufgrund der Einsicht aus diesen alten blogs möchte ich ernsthafter, gewissenhafter, authentischer, wahrhaftiger leben und aufhören mit diesen Illusionen, Lügen, und Selbst-Lügen, dich anderen und mir selber über mich erzähle. Ich möchte, dass man sich auf mein Wort verlassen kann, und dass ich mich auf mein Wort verlassen kann. Ich möchte heraus finden, worauf in mir ich mich verlassen kann und worauf ich mich in anderen verlassen kann. Was ist das für eine Welt, in der sich niemand auf den anderen verlassen kann – nicht mal auf sich selbst? Es ist keine Welt, in der ich leben möchte.

Ich möchte keine Verpflichtungen mehr eingehen, die ich nicht umsetzen kann oder zumindest willens bin, umzusetzen. Das ist meine neue Verpflichtung! Ich verpflichte mich dazu, mir genau zu überlegen, welche Verpflichtung ich eingehen möchte, im großen wie im kleinen, und wieso ich das tun möchte. Und ich verpflichte mich dazu, diese Verpflichtung dann auch umzusetzen. Und zwar auch und vor allem gegen innere Widerstände und auftauchende Ängste.

Ich verpflichte mich ebenfalls dazu, meine Verpflichtung nicht als Illusion abzuwerten, nur weil plötzlich eine neue Idee in meinem Kopf auftaucht, die süßer erscheint, anscheinend mit weniger Aufwand oder mehr Spaß zu erreichen wäre, mir weniger Angst einflößt, oder größeren Erfolg verspricht. Ich werde eine Verpflichtung nicht mehr einfach aufgeben, ohne alles getan zu haben, sie auch umzusetzen, koste es, was es wolle. Ich will nicht mehr den einfachen Weg, sondern meinen Weg. Denn ich kenne meinen Weg! Ich muss aufhören, ihn abzulehnen. Und wenn das bedeutet, dass ich mich durchbeißen muss, dann verpflichte ich mich dazu, das auch zu tun. Ich habe es satt, ein Schwächling zu sein.

Aber ich werde nicht an einer Verpflichtung festhalten, die ich irrtümlicherweise, aufgrund von illusorischen Vorstellungen, eingegangen bin. Sobald ich erkenne einer Illusion erlegen zu sein, bin ich ihr nicht mehr verpflichtet, denn Illusionen gegenüber kann man sich nicht verpflichten. Dies gilt insbesondere für die Beziehungen zu Menschen, die mich belogen oder in die irre geführt haben, weil sie sich selber nicht gut genug kennen, und mir deswegen etwas über sich verheimlicht oder mich über sie und ihre Motive getäuscht haben, wissentlich oder unwissentlich. Und wenn ich selber eine Verpflichtung aufgrund von illusorischen Vorstellungen über das, was ich zu leisten imstande bin und was nicht, eingegangen bin, und diese Illusion auch als solche erkenne, dann bedanke ich mich für die Möglichkeit wieder eine Illusion über mich erkannt zu haben und werde auch die Konsequenzen für das übernehmen, was aus meiner diesbezüglichen Verpflichtung entstanden ist.

Ich möchte meine eigenen Illusionen aufdecken und sie ablegen. Auch dazu verpflichte ich mich. Denn authentisch zu sein bedeutet auch, dass ich mich annehme mit meinen Schwächen und Unzulänglichkeiten. Es bedeutet, mir bewusst zu sein über meine Schwächen und Unzulänglichkeiten und anhand dieser Bewusstheit dann auch bewusst im Leben zu stehen und bewusst zu handeln. Es bedeutet, diese Schwächen und Unzulänglichkeiten mit einzubeziehen in meine Pläne, anstatt sie als nicht-existierend ins Unterbewusstsein zu verbannen, von wo aus sie dann diese selbst-zerstörerischen und selbst-boykottierenden Aktivitäten entwickeln. Und was da selbst-zerstörerisch wirkt ist im Endeffekt ja nur die zerstörerische Wirkung auf das Nicht-Selbst, dieses illusorischen Selbst, dass unsere Maske in der Welt darstellt die wir aufsetzten, damit unsere Schwächen und Unzulänglichkeiten eben nicht erkannt werden, weder von uns noch von anderen. Und dieses Nicht-Selbst und alle damit verbundenen Ziele, all die damit einhergehenden Illusionen, die gehören zerstört. Denn sie sind rein illusorisch und haben nichts mit der Realität in dieser Welt zu tun.

Welche Verpflichtungen will ich jetzt eingehen? Welche sind authentisch und gehören zu mir und nicht zu meinem Nicht-Selbst? Wozu verpflichtete ich mich schon längst, weil es ein wiederkehrendes Thema in meinem Leben darstellt, wodurch sich sein Sinn und seine Wichtigkeit für mich zeigt und schon immer gezeigt hat? Und welchen Illusionen renne ich stattdessen gerne nach, nur weil sie Spaß und Freude verheißen? Schließlich ist die Erde ja kein Vergnügungspark und wir sind alle nicht hier, nur um Spaß zu haben. Jedenfalls kann ich im Moment noch keinen Spaß hier haben. Nicht, solange es für mich und viele andere so düster aussieht hier auf der Erde. Nicht, solange wir alle unfrei sind. Was ist also meine Verpflichtung in diesem Leben?

to be continued ….

Tag 69: Wie meine Empathie für andere zu einem Lügengebäude über mich selber geführt hat

In fast allen meinen Beziehungen, ob sie nun partnerschaftlich, freundlich, fremd oder familiär sind, liegt es mir immer sehr am Herzen, andere Menschen nicht zu verletzen. Ich spüre sehr schnell, wenn sie traurig oder bedrückt sind, auch wenn sie das zu überspielen versuchen. Dann möchte ich gerne helfen und tue dann Dinge, die mich und meinen Weg kompromittieren. Diese Gefahr besteht besonders bei intimeren partnerschaftlichen Beziehungen, in denen ich mich nach einer gewissen Zeit immer fremd bestimmt fühle. Ich kann meine Grenzen nicht klar setzen, sie nicht einmal definieren, und so lasse ich mich immer wieder in Situationen hinein ziehen, die mich von meinem Weg abbringen, nur um dem Anderen einen Gefallen zu tun und seine/ihre Traurigkeit nicht erleben zu müssen, wenn ich NEIN sage.

Gerade in esoterischen Kreisen wird ja oft von Altruismus, also dem Dienst am Anderen (Service to Others), gesprochen. Egoismus ist verpönt. Alles richtet sich an den Bedürfnissen anderer aus. Die eigenen Bedürfnisse dürfen keine Rolle spielen.

Mit dieser Thematik habe ich mich lange auseinander gesetzt, weil ich sie nie richtig durchschaut habe. Das geht ehrlich gesagt schon seit meiner Pubertät so, also seit gut 40 Jahren. Und so langsam dämmert es mir.

Ich glaube dass Egoismus in der Form in der er andere Menschen als Mittel zur Erfüllung eigener Zwecke einfach grundweg falsch ist. Wenn jemand andere braucht, um eigene Ziele erreichen, und sie für seine Zwecke einspannt, dann ist das falsch. Natürlich kann man sagen, dass der andere selber Schuld ist, wenn er zustimmt, denn es ist ja sein eigener Wille gewesen und er wurde nicht gezwungen. Ich sehe es aber inzwischen so, dass man nicht immer mit der Peitsche zu etwas gezwungen werden muss, sondern es auch viel subtilere Formen gibt. Zum Beispiel Tränen, oder Traurigkeit, oder das Einreden eines schlechten Gewissens. Sicher gibt es noch weiter Beispiele, aber dies sind die Mechanismen, denen ich wieder zum Opfer falle und durch die ich mich von anderen einspannen lasse. Und das betrifft sogar den Umgang mit meinen älter werdenden Eltern, die einfach mal Gesellschaft möchten, weil sie sonst so einsam sind.

Ich finde es sehr schade, dass die Gesellschaft so geworden ist, dass ältere Menschen oft allein da stehen. Die familiären Strukturen sind zerbrochen und Alters-Einsamkeit ist die Regel geworden. Das ist sehr bedauerlich und ich möchte auch gerne alte Formen des Zusammenlebens (Mehr-Generationen-Wohnen) wieder reaktivieren. Dennoch spüre ich auch hierbei, dass es mir dabei auch darum geht, selber im Alter nicht allein dazu stehen. Aus diesem Grund gehe ich auch zu meinen Eltern und besuche sie, auch wenn wir uns oft nicht viel zu erzählen haben. Was wir in unserer Gesellschaft bisher nicht gelernt haben, ist den inneren Frieden in uns selber zu entwickeln und zu entdecken, dass wir gerade auch in der Einsamkeit und im Alleinsein unser wahres Ich entdecken können. Dann “brauchen” wir niemanden mehr, um uns mit uns selber wohl zu fühlen. Doch die meisten Menschen werden schon unruhig, wenn sie mal 2 Minuten nicht mir irgend etwas, und sei es noch so unsinnig, beschäftigt sind. Deswegen verstehen sie oft nicht, dass ich mit dem Alleinsein sehr gut zurecht komme und die Gesellschaft anderer nicht brauche. Ich bleibe lieber mit meinen Gedanken und mir selber allein, als mich von anderen mit ihrem Gedankenmüll zuschütten zu lassen.

Das mag jetzt alles etwas negativ und sehr egoistisch klingen, und vielleicht ist es das auch. Aber ich rede hier nicht davon, dass ich anderen keine Hilfe und Unterstützung geben möchte, wenn sie sie benötigen. Nur andere zu beschwichtigen, indem ich ihnen Gesellschaft bei ihrem inneren Leiden leiste und sie damit von ihrem eigentlichen Problem auch noch ablenke, das hilft ja auch nicht. Es fördert sogar noch das Problem, weil es keine wirkliche Hilfe bietet, das Problem (der gefühlten Einsamkeit und des Alleinsein) an der Wurzel zu bekämpfen.

Und diese Wurzel erkenne ich unserem ständigen Versuch, nur nicht in uns hinein zu horchen, bloß nicht heraus zu finden, warum wir uns einsam und allein fühlen, und nicht zu unserem wahren Kern vorstoßen zu wollen. Stattdessen wollen wir die Einsamkeit und das Alleinsein oft überdecken sobald es auftritt. Wir suchen sofortige Ablenkung im TV oder Kreuworträtselheft, im Barbesuch oder dem Gespräch mit Freunden, in Online-spielen, Sex, Drogen, was auch immer. Nur das Alleinsein ertragen wir nicht. Und da kommt der Partner oder die Partnerin gerade recht. Denn es ist ja sozusagen deren Pflicht, mich aufzufangen, wenn es mir schlecht geht.

Ich kann das so nicht weiter machen und meine Zeit und Energie dafür aufwenden, andere Menschen durch meine Anwesenheit und meinen Zuspruch von sich selber abzulenken. Und im Gegenzug werde ich ebenso von mir selber abgelenkt und finde nicht heraus (in 40 Jahren) wer ich wirklich bin, warum ich hier bin, und was ich hier auf der Erde zu suchen habe. Mir ist diese Suche nach mir und meiner Essenz wichtiger als alles andere auf der Welt. Denn wenn ich mich selber nicht kenne, wie soll ich dann anderen helfen, ihre Traurigkeit, Einsamkeit, Bedürftigkeit, zu überwinden? Das scheint mir unmöglich. Bisher habe ich zur grundlegenden Lösung dieser Probleme nichts beigetragen, sondern durch mein Mitgefühl die Sache eher noch verschlimmert. Das muss aufhören.

Aber ich finde es unglaublich schwer, die Erwartungen anderen an mich zu zerstören und ihnen wirklich zu sagen, was ich denke. Ganz besonders in langjährigen Beziehungen zu Freunden, Partner, oder den Eltern, in denen ich mich Jahrelang oder gar Jahrzehnte lang verstellt habe. Das war unehrlich und das werde ich stoppen.

  • Ich (an)erkenne, dass ich es akzeptiert und erlaubt habe, mich hinter meinem Mitgefühl zu verstecken, um die Erwartungen anderer an mich zu erfüllen, mich dadurch selbst verleugnet habe, mir und meinen Wesen untreu wurde, und es mit jedem Mal bei dem ich dieses Verhalten an den Tag legte schwieriger wurde, es abzulegen.
  • Ich (an)erkenne, dass ich es akzeptiert und erlaubt habe, andere über das zu belügen, was ich fühle und denke, wenn es nicht in ihr Bild von mir zu passen schien, ohne je den Versuch zu unternehmen, ehrlich zu sein aus Angst nicht versanden und abgelehnt zu werden.
  • Ich (an)erkenne, dass ich es akzeptiert und erlaubt habe, mich in der Beziehung zu anderen Menschen zu verstellen, um eine Konfrontation zu vermeiden für die ich mich nicht stark genug fühlte, wenn ich erkannte, dass meine Antworten Trauer oder Unverständnis im anderen auslösen könnten.
  • Ich (an)erkenne, dass ich es akzeptiert und erlaubt habe, andere und mich selber zu belügen, statt das offene Gespräch zu suchen und die Konfrontation auszuhalten und durchzustehen.
  • Ich verpflichte mich, mich und meine Gedanken und Gefühle nicht länger vor anderen – und vor mir selber – zu verstecken.
  • Ich verpflichte mich besonders darauf zu achten, wenn Gedanken wie “das wird ihr/ihm aber nicht gefallen” und “das versteht er/sie sowieso nicht” auftauchen, dann zu stoppen und inne zu halten, und den Versuch zu unternehmen, meinen Standpunkt möglichst klar zu kommunizieren.
  • Ich verpflichte mich, nicht mehr an Aktivitäten teilzunehmen, die andere nur beruhigen und in ihrem Verhalten und ihren Gedanken und Vorstellungen über mich bestätigen, sodass Konflikte und Konfrontationen vermieden werden.
  • Ich verpflichte mich, stärker an mir selber zu arbeiten und heraus zu finden, was mich wirklich berührt und dies auch offen nach außen zu tragen, sodass meine Umwelt selber entscheiden kann, wie sie darauf reagieren möchte, und nicht mehr Vermutungen anzustellen, was andere über mich denken könnten oder fühlen würden, wenn ich mich authentisch zu dem äußere, was in mir vorgeht.